Was sind die wesentlichen Aspekte von Ernährungsbildung und wie können Sie gut in der Kita umgesetzt werden?
Ernährungsbildung fördert die Selbstständigkeit der Kinder
Wenn Kinder beim Thema Essen und Trinken einbezogen werden, fördert es ihre Selbstständigkeit, ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstsicherheit. Dafür sollten die Kinder alters- und entwicklungsgerecht beteiligt werden. Dies kann dann auch einfach nur die Information sein, was es heute zu essen gibt. Ebenso ist es eine Form der Partizipation, die Fragen der Kinder zu beantworten. Gefördert wird die Selbstständigkeit insbesondere durch Handlungen, die die Kinder selbst ausführen dürfen und können.
Beispiel: Die zweijährige Mia bereitet sich selbst ihr Müsli zu, indem sie aus dem Angebot an verschiedenen Zutaten wählt und in ihr Schälchen füllt. Dass dabei etwas daneben geht, ist Übungssache. Schon beim nächsten Mal kann es besser klappen. Stolz löffelt sie es und erschmeckt dabei die einzelnen, selbst ausgewählten Zutaten.
Pädagogische Fachkräfte können die Selbstständigkeit der Kinder fördern, indem sie sie einbeziehen und aktiv werden lassen. Beispiele hierfür sind: Wunschessen wählen, gemeinsam Kräuterquark machen, Verantwortung und kleine Aufgaben geben wie Tischdecken, Tische abwischen. Es bedeutet ebenso, den Kindern den Umgang mit kindgerechten Werkzeugen wie Messern und Küchengeräten zu erklären, sie beim Ausprobieren zu begleiten und ihnen nach und nach zuzutrauen, selbst zu schneiden, zu wiegen, zu gießen, usw.
Ernährungsbildung trainiert die Wahrnehmung von Hunger und Sättigung
Kinder kommen mit einem angeborenen Gefühl für Hunger und Sättigung auf die Welt. Dieses Gefühl sollte für das gesunde Aufwachsen auch erhalten bleiben. Pädagogische Kräfte können Kinder dafür sensibilisieren und ihnen helfen, zwischen Hunger und Sättigung zu unterscheiden.
Dies fördert die Wahrnehmung Hunger und Sättigungsgefühls:
- Essenszeiten und essensfreie Zeiten
- positives Körperbewusstsein fördern, z. B. regelmäßige Bewegung und Entspannung
- ablenkungsfreie Mahlzeiten, z. B. kein Spielzeug am Tisch
- ausreichend Zeit, d.h. jedes Kind isst im eigenen Tempo
- Kinder entscheiden selbst, was und wie viel sie essen, und bedienen sich selbst
- Vertrauensvolle, positive Atmosphäre
- Signale interpretieren (ein "Nein" akzeptieren) und angemessen reagieren,
z. B. wenn Mia (8 Monate) durch Wegdrehen ihres Kopfes signalisiert, dass sie nicht (mehr) essen mag - Wahrnehmungsübungen, z. B. Bauchgefühl vor und nach der Mahlzeit
Die Wahrnehmung von Hunger und Sättigung wird gehemmt durch Bevormundung, Verbote (z. B. kein Nachtisch, wenn die Hauptspeise abgelehnt wird, Süßigkeitenverbot), Regeln („Teller leer essen“), Signale fehlinterpretieren, Belohnung, Zwang, Strafe und indem den Kindern zu große Portionen gegeben werden.
Ernährungsbildung beinhaltet die Begleitung der Mahlzeiten
Die Begleitung der Mahlzeiten ist eine pädagogische Aufgabe und bietet für die pädagogische Fachkräfte die Gelegenheit, den Kindern Esskultur, Verhaltens- und Kommunikationsregeln zu vermitteln.
Förderlich dabei ist eine positive und professionelle Haltung der pädagogischen Fachkräfte zum Thema Ernährung. Gelingt es ihnen, für eine positive Essumgebung und angenehme Essatmosphäre zu sorgen, so fühlen sich die Kinder wohl. Das wirkt sich positiv aus auf deren Essverhalten und führt zu angenehmen Esserinnerungen („Oma-Effekt“).
Ernährungsbildung vermittelt Esskultur, Kulturtechnik und -sensibilität
Kinder lernen bereits vor der Geburt die Esskultur der Familie bzw. der Mütter kennen. Mütter prägen durch ihr Essverhalten während der Schwangerschaft und des Stillens den Geschmack ihres Kindes. Im Weiteren vermitteln Familien den Kindern die eigene Esskultur und Kulturtechniken. Somit sitzen imaginär die Familien mit am Esstisch in der Betreuungseinrichtung für Kinder. Ebenso bringen pädagogische Kräfte ihre eigene Esskultur und -erfahrungen mit. Das kann anregend und spannend für das Miteinander sein. Pädagogische Kräfte und Teams sollten regelmäßig die eigene Kultursensitivität reflektieren.
Durch Angebote und die Zubereitung von Speisen aus anderen Kulturkreisen können Betreuungspersonen die Erfahrungen der Kinder erweitern und sie feinfühlig einladen, Neues zu probieren. Des Weiteren vermitteln sie den Kindern Esskultur durch Rituale und Regeln für die Mahlzeiten, z. B. „bevor wir essen, sagen wir einen Tischspruch“ oder „wenn wir essen, sitzen wir“.
Ebenso fördern pädagogische Kräfte die soziale Bedeutung von Mahlzeiten, beispielsweise durch angenehme Tischgespräche und schöne Dekoration. Auch die Beachtung regionaler Besonderheiten wie zu Sankt Martin einen Weckmann backen und die Gestaltung jahreszeitlicher Feste mit entsprechendem Speiseangebot gehören zur Esskultur.
Außerdem können die pädagogischen Fachkräfte den Kindern helfen, den Umgang mit Besteck und andere Kulturtechniken zum Essen zu erlernen.
Ernährungsbildung erkundet die Herkunft und Vielfalt der Lebensmittel
Zur Erkundung der Welt der Lebensmittel können pädagogische Kräfte mit den Kindern zum Beispiel ein Gemüsebeet im Außengelände anlegen und dort Gemüse aussäen, pflegen und ernten. Ebenso könnten in einer Eltern-Kind-Aktion Hochbeete angelegt oder Obst aus dem Kita-Garten geerntet und verarbeitet werden.
Zur Ernährungsbildung gehört auch, regelmäßig unbekannte Lebensmittel anzubieten und mit den Kindern darüber zu sprechen. Dabei ist wichtig, dass sie die Lebensmittel mit ALLEN Sinnen wahrnehmen. So kann bei Verkostungen auffallen, dass beispielsweise Äpfel und verschiedene Brotsorten unterschiedlich aussehen und schmecken. Ebenso kann die unterschiedliche Zubereitung eines Lebensmittels erforscht werden. Beispielsweise eignen sich dazu Möhren: als Rohkost, gegart, als Salat oder in einer Suppe.
Ernährungsbildung bedeutet Lernzeit
Der Umgang mit Lebensmitteln fördert bei den Kindern:
- Motorische Fähigkeiten
- Sinneswahrnehmung
- Sprachentwicklung
- Sozialverhalten
- Wertschätzung von Lebensmitteln
Mit Spielen, Spielmaterialien, Liedern und Reimen lernen Kinder viel über das Essen und Trinken. Beispielsweise erkunden Kleinstkinder auf spielerische Weise die Beschaffenheit eines Lebensmittels oder Küchengeräts durch genaues Ansehen, Ertasten sowie Erkunden mit Mund und Zunge. Kleinkinder spielen gern ihre Beobachtungen nach und imitieren dabei die Erwachsenen, wie sie kochen, einkaufen und Tischgespräche führen.
Förderlich sind dafür geeignete Spielmaterialien wie Obst und Gemüse aus Stoff oder Holz, eine Kinderküche, Kochschürzen, Koch- und Backutensilien, ein Kaufladen oder eine Matschküche im Außengelände.
Auch Finger-, Bewegungs- und Entspannungsspiele sowie Lieder und Reime gehören zur Ernährungsbildung und fördern gleichzeitig die Sprachentwicklung der Kinder.
Beispiele:
- Bewegungsspiel Obstsalat
- Fingerspiel „Das ist der Daumen“
- zur Entspannung eine Fantasiereise ins „Schlaraffenland“
- Lied „Backe, backe Kuchen“
- Gemeinsam essen
Kinder und pädagogische Kräfte essen mehrmals täglich gemeinsam
- Gespräche führen
über Lebensmittel, Rezepte, Zubereitung, Einkauf, Geschmack, Vorlieben und Abneigungen beim Essen,...
- Händewaschen
vor jeder Mahlzeit und vor dem Kontakt mit Lebensmitteln
- Geschmackserleben mit allen Sinnen
z. B. eine Gurke ertasten und waschen, dabei ihre Struktur außen und nach dem Aufschneiden genau ansehen, erkunden, wie sie riecht, genau hinhören beim Reinbeißen, Gurke langsam kauen und schmecken
- Lebensmittel probieren
bekannte und unbekannte Lebensmittel probieren, Sensorik erforschen mit feinfühliger pädagogischer Begleitung
- Rituale und Regeln
rund um den Esstisch, Beispiele: Tischspruch zu Beginn, selber auf den Teller nehmen
- Essbesteck verwenden
Verwendung von Essbesteck, z. B. Messer und Gabel
- Aktivitäten rund um den Tisch
Tisch decken, abräumen, abwischen
- Lebensmittel- und Speisereste
Umgang mit Lebensmittel- und Speiseresten festlegen und umsetzen
- Zähne putzen
nach dem Mittagessen Zähne putzen
- Ausflüge unternehmen
Ausflug zum Super- und Wochenmarkt, zu Landwirt:innen, zum Bauernhof, in eine Backstube,...
- Backen
backen mit den Kindern, z. B. Brot, Rosinenbrötchen oder Plätzchen
- Von anderen lernen
Menschen in die Kita einladen, die Essen und Trinken herstellen, z. B. Imker:innen
- Gärtnern
Gemüse, Obst und (Wild-)Kräuter im Außengelände anbauen, pflegen und verarbeiten
- Mit Kresse umgehen
zu Ostern Kresse auf dem Fensterbrett ziehen, beobachten, probieren und verarbeiten
- Frühstücken in der Gruppe
Gruppenfrühstück mit selbstgemachten Speisen wie Rohkost, Aufstrich und Obstspießen
- Aktionen mit Eltern
bei Mitmach-Aktionen z. B. Osterkränze backen
- Gestalten
Kinder gestalten ihr Platzset oder Tischdeko für Kita-Veranstaltungen, Plakate zum Thema „Unser Essen und Trinken“
- Spiele rund ums Essen und Trinken
Bewegungsspiel „Obstsalat“, Matschküche im Außengelände, Spielküche im Rollenspielbereich, Kuscheltier füttern, Lebensmittelkarten-Paare, Malen und Basteln
- Experimentieren
Experimente durchführen wie z. B. Flüssigkeiten umschütten, Joghurt herstellen, Wasserballett, Wasser mit Geschmack (z. B. Zitrone)